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: Pinocchio mit Pausbacken

Auch die Bundesligavereine versuchen sich zum Start der Rückrunde an diversen Imagekampagnen

So schamlos haben Politiker noch nie versucht, den Fußball für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, wie jetzt Gerhard Schröder und Konsorten mit ihrer „1. FC Deutschland 06“ getauften Imagekampagne. Dagegen verblasst sogar Helmut Kohls schwergewichtiges Rangewanze an Bertis Europameister. 20 Millionen Euro werden verpulvert, um anlässlich der Fußball-WM 2006 ein rosiges und idyllisches Bild von Good Ol’ Germany vorzugaukeln. Die Einheimischen sollen bitte vergessen, dass ihnen der Staat das Geld aus der Tasche zieht, damit die Unternehmen weiter kaum Steuern zahlen müssen und als Exportweltmeister brillieren können. Den ausländischen Gästen soll, weil die Realität offenbar nicht als Wirklichkeit taugt, mit allen Mitteln der Suggestion ein virtuell optimiertes Deutschland präsentiert werden – „modern und sympathisch“, könnte ja sein, dass ihnen das im täglichen Umgang nicht auffällt. Nun werden sie so lange mit blumigen Fiktionen überschüttet, bis sie jedes Raunzen eines Berliner Busfahrers für eine Ode an die Freude halten.

Der Fußball selbst darf da natürlich nicht zurückstehen. Die Nationalmannschaft hat längst ihre eigene Imagekampagne, getragen von der Agentur Klinsmann & Friends. Und die Bundesliga, die heute mit dem Match Bayern München gegen den HSV den Spielbetrieb wieder aufnimmt, lässt sich nicht lumpen. Meister Werder Bremen zum Beispiel hatte in Gestalt der raufenden Spieler Ernst und Micoud eine imagefördernde Botschaft an alle Konkurrenten parat: Wir sind heiß, wir sind bissig, zieht euch warm an! Wenn man sich schon untereinander an die Wäsche geht, kann sich jeder Titelrivale ausrechnen, was ihm blüht, wenn die Wilden von der Weser kommen.

Dem VfB Stuttgart wiederum ist plötzlich eingefallen, dass Schwaben ja im Ruf der Sparsamkeit stehen, weshalb man Timo Hildebrand ziehen lässt und damit ein Torwartkarussell in Gang setzt, wie man es sich putziger nicht wünschen kann. Hildebrand, das ist nicht schwer zu erraten, wird künftig die Bayern behüten, Jens Lehmann darf beim VfB Löcher in die Luft treten und Oliver Kahn geht zu Arsenal. Dessen Trainer Arsène Wenger hat schließlich ein Faible für betagte Keeper mit Blackout-Garantie.

In Mönchengladbach hingegen hat endlich mal ein Verein den Mut gehabt, mit seinem eher seriösen Image zu brechen und die alte Drohung wahr zu machen: „Bevor wir den Trainer feuern, wechseln wir lieber die ganze Mannschaft aus.“ Komischerweise nach dem Feuern des Trainers. Wie die Sache finanziert wird? Bestimmt haben die alten Schlawiner irgendeinem ortsunkundigen US-Investor für eine 100-Millionen-Dollar-Anleihe den Bökelberg angedreht.

Eine dringende Imagepolitur hat nach der grausligen letzten Saison auch der FC Bayern nötig. Zuständig ist wie immer Uli Hoeneß. Der hat sich mit Rudi Assauer zielsicher den letzten Bundesligarivalen herausgepickt, der sich noch provozieren lässt, nachdem Christoph Daum in Istanbul dauerschmollt und Willi Lemke als Schulsenator in Bremen lieber am endgültigen Sturz des schiefen Turms von Pisa arbeitet, statt sich bei Werder der Pflege der deutsch-französischen Freundschaft zu widmen.

Die Attacke von Hoeneß war erfolgreich, dennoch hat er einen gewaltigen Fehler gemacht. Für die Diskussion seiner Gewichtsprobleme räumte ihm die SZ jüngst eine ganze Seite ein, mehr als die Bunte in dieser Frage jemals Prinzessin Caroline zur Verfügung stellte. Da verriet der Bayern-Manager, letztes Jahr habe er nicht abnehmen können, weil die Mannschaft so schlecht spielte. Künftig braucht man Hoeneß also nur ins Gesicht sehen, wenn er wieder vom „Wegfegen“ redet und davon, dass acht Punkte Rückstand gar nix seien. Wie Pinocchio die Nase, verraten den Bayern-Agitator die Pausbäckchen. Ein Blick genügt, und jeder weiß, wie es wirklich steht im Klub. MATTI LIESKE